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Interview
„Das wäre mein Traum“
Mit Bachs f-Moll-Konzert gab die Pianistin Beatrice Rana mit neun Jahren ihr Orchesterdebüt. Auf ihrem neuen Album präsentiert sie gleich vier Bach-Konzerte
Von
Arnt Cobbers
Simon Fowler / Parlophone Records Limited

Der zweite Preis und der Publikumspreis beim Van-Cliburn-Wettbewerb 2013 brachten der damals zwanzigjährigen Italienerin Beatrice Rana den Durchbruch. Wenig später wurde sie Exklusivkünstlerin von Warner Classics. Dass sie eine hochvirtuose, aber fein gestaltende Musikerin ist, bewies sie eindrücklich mit einem Mendelssohn-Abend beim Festival Le Piano Symphonique im Januar in Luzern. Nach dem ersten Klavierkonzert bedankte sie sich ungewöhnlich herzlich beim Luzerner Sinfonieorchester, und auch im Interview wirkt sie sehr nett. Beatrice Rana hat zwar in Hannover bei Arie Vardi studiert, dort aber so gut wie kein Deutsch gesprochen, weder mit ihrem Lehrer noch mit ihren Studienkollegen, wie sie sagt. Vor Kurzem habe sie sich aber ein Buch mit Sprachübungen gekauft.

Frau Rana, lassen Sie uns über die Aufnahme der vier Bach-Konzerte sprechen.

Das Projekt geht aufs Jahr 2019 zurück, da habe ich zum ersten Mal mit der Amsterdam Sinfonietta zusammengespielt, zwei Bach-Konzerte, das war mein erstes Orchesterkonzert überhaupt ohne Dirigent. Es war eine unglaublich intensive Probewoche, wie haben viel gearbeitet, jeder Musiker hat sich eingebracht, es war wirklich wie Kammermusik. Danach haben wir zwei weitere Konzerte erarbeitet und sind 2022 auf Tour durch Mitteleuropa gegangen. Das war noch in der Pandemie, als die Konzertsäle gerade wieder offen waren, aber die Leute noch Angst hatten. Es war trotz aller Schwierigkeiten irgendwie magisch, auch dank Bachs Musik, und hat uns zusammengeschweißt. Und am Ende haben wir die vier Konzerte aufgenommen. Eigentlich sollte es immer so sein, dass man die Werke vorher vor Publikum gespielt hat. Wir hatten in ganz verschiedenen Akustiken gespielt und Erfahrungen gesammelt.

Haben Sie vom Klavier aus dirigiert?

Nein, das braucht man mit solchen wunderbaren Musikern nicht. Und bei Bach spielt man auch im Continuo mit, da hat man nicht die Hände frei. Es ging sehr viel über Augenkontakt, wie bei Kammermusik.

Und warum nur vier der sieben Bach-Konzerte?

Die anderen können auf eine zweite Aufnahme kommen. (lacht) Das würde ich sehr gern machen. Vier Konzerte zu proben, war erst mal genug.

Sie haben ja eine besondere Beziehung zum f-Moll-Konzert.

Stimmt, das war mein Orchesterdebüt. Mit neun Jahren war das eine echte Herausforderung für mich. Und das bleibt es auf eine andere Weise auch. Die Musiksprache ist so delikat, das Werk ist wie ein Edelstein. In seinen Moll-Konzerten hat Bach neue Wege gesucht. Die Konzerte in D-Dur und E-Dur sind auch toll, aber sie bleiben in der Struktur des damals üblichen Konzerts, da ist das Cembalo Teil des Tutti. Aber in den Konzerten in d- und f-Moll übernimmt das Klavier eine andere Rolle, da entwickelt Bach eine neue Struktur des Solokonzerts, die dann wegweisend wurde. Ich finde das f-Moll-Konzert unglaublich bewegend, vor allem der zweite Satz ist genial. Und das d-Moll-Konzert hat eine große Tradition ausgelöst. Viele wichtige, dramatische Klavierkonzerte stehen in d-Moll, Brahms’ erstes, Rach 3. So wie jedes großartige Violinkonzert in D-Dur steht. Ein Konzert in diesen Tonarten ist einfach ein Statement, das sich in eine Tradition stellt.

Im PR-Material zur Aufnahme wird wieder die Frage aufgeworfen, ob man Bach auf dem modernen Flügel spielen kann.

Ich fände es schlimm, wenn man das nicht dürfte. Natürlich ist der moderne Flügel nicht das Instrument, für das Bach diese Werke geschrieben hat. Aber sie werden heute in ganz anderen Konzertsälen gespielt, vor viel mehr Publikum. Das würde mit dem Cembalo nicht funktionieren.

Eine Aufnahme hört man ja nicht in einem großen Konzertsaal.

Aber ich bin nun mal Pianistin. Ich liebe den Klang des Cembalos, aber das ist ein völlig anderes Instrument.

Viele Geiger spielen gleichzeitig Bratsche. Warum kann man nicht zwischen dem modernen Flügel und dem Cembalo wechseln?

Wir sind so verwöhnt von der Effizienz der heutigen Klaviaturen. Die sind so perfekt, und wir haben so fantastische Klaviertechniker. Jede winzige Abweichung im Anschlag irritiert mich. Im Spiel auf dem Klavier geht es um Egalität, die Läufe müssen gleichmäßig perlen. Beim Cembalo ist das ganz anders. Wenn man Arpeggien spielt, klingt jeder Ton anders – was aber auch eine Inspiration für die Komponisten war. Deshalb habe ich mich intensiv mit dem Cembalo beschäftigt. Man muss wissen, dass es wie eine Übersetzung in eine andere Sprache ist, wenn man diese Musik auf dem modernen Klavier spielt.

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