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Porträt
Fein schattierter Ausdruck
Die Berliner Lautten Compagney feiert ihren 40 Geburtstag
Von
Klemens Hippel
Foto: Robert Paul Kothe

Die Interpretation des Instrumentalensembles ‚Lautten Compagney‘ gefällt sowohl durch stilistische Bewandertheit und souveräne Spieltechnik als auch durch den fein schattierten Ausdruck in der motivischen Ausformulierung.“ So hieß es 1993 in der ersten Kritik, die das FONO FORUM der Berliner Lautten Compagney widmete. Da war das Ensemble schon neun Jahre alt, aber es hat eben etwas gedauert, ehe man im Westen auf diese ganz besondere Formation aufmerksam wurde. Wolfgang Katschner und Hans-Werner Apel hatten sie nach ihrem Studium der klassischen Gitarre 1984 in Ost-Berlin gegründet – ein für diese Zeit in der DDR sehr ungewöhnlicher Schritt in die Selbständigkeit. Neben die Solomusik für Laute, die zunächst den Schwerpunkt der Auftritte bildete, trat bald die Arbeit mit Sängern und anderen Instrumentalisten, um die ganze Vielfalt der Renaissance- und Barockmusik aufführen zu können. Wenn man die Lautenmusik des 16. und 17. Jahrhunderts spiele, komme man zwangsläufig zur Vokalmusik, weil die gesungene Musik die Basis für die Instrumentalmusik war – so erklärte mir Wolfgang Katschner 2004 den Weg des Ensembles.

Jetzt, zwanzig Jahre später, ist er immer noch die Stimme der Lautten Compagney. „Die zweiten zwanzig Jahre“, sagt er, „sind im Rückblick noch interessanter als die ersten zwanzig. Wir sind sehr gewachsen, haben uns verändert und auf dem Markt etabliert. Aber mir fällt immer auf, wenn ich alte Aufnahmen höre, dass das auch früher schon sehr schön war.“ Keine große qualitative Veränderung habe es also gegeben, aber die Ausrichtung sei vielfältiger und spannender geworden. Und natürlich kann man inzwischen mit den Stars der Szene zusammenarbeiten: Rolando Villazón gehört ebenso zu den Partnern des Ensembles wie Vivica Genaux, Anna Prohaska oder Dorothee Mields, mit der man schon seit vielen Jahren immer wieder Projekte realisiert.

Bereits 1989 hatte die Wende neue Möglichkeiten gebracht: Neben der Arbeit mit dem eigenen Ensemble konnten die beiden Lautenisten noch einmal zweieinhalb Jahre in Frankfurt bei Yasunori Imamura studieren. „Das war eine große Inspiration, bei ihm zu lernen“, erzählt Wolfgang Katschner. „Yasunori ist so ein breit aufgestellter Musiker, der die Renaissance-Laute ebenso beherrscht wie Barocklaute und Theorbe, auch als Continuo. Bei dem konnte man viel lernen. Er hat immer viel über zum Atem und zum Gesang erklärt.“ Das Ensemblespiel lief gleichzeitig weiter, und die Kontinuität, die sich das Ensemble über die Jahre erhalten hat, ist bemerkenswert: Viele der Musikerinnen und Musiker sind schon seit Langem dabei.

Inhaltlich hat sich die Arbeit immer weiterentwickelt: Geblieben ist das Interesse an „Ausgrabungen“ – nächstes Jahr gibt es wieder eine Oper von Reinhard Keiser zu entdecken. Hinzu kamen eigene Programmzusammenstellungen, die in den letzten Jahren immer mehr auch musikalische Grenzen überschreiten. So kam man auf die Idee, ABBA und Rameau zusammenzubringen. Das funktioniere besonders gut, sagt Katschner. Die Konzerte seien ausverkauft, seit man die Zusammenstellung bei einem Klassikfestival in der Türkei probiert habe. „ABBA ist einfach etwas, was alle Generationen kennen und gut finden.“ Und sie seien ja durch ihre Avatare auch gerade jetzt wieder präsent und im Gespräch.

Sehr aktuell ist auch die Verbindung von Kontrapunkt und künstlicher Intelligenz, zu der man ebenfalls ein aktuelles Programm gestrickt hat. Auch wenn Katschner selbst skeptisch ist, ob dabei für die Musik wirklich etwas Neues herauskomme. Aber wenn man sich die Kombination indischer Ragas und Barockmusik ansieht, sind interessante Einsichten garantiert – man höre sich nur die dabei entstandene Version von Monteverdis „Lamento della Ninfa“ an. Zu solchen interkulturellen Programmen komme ein ganz eigenes Publikum, auch jenseits der Alte-Musik-Szene, erzählt Katschner. „Wir werben für diese interkulturellen Projekte immer in der entsprechenden Community in Berlin.“ Mehrere Programme gibt es inzwischen in der Kombination mit dem Saxofon; 2008 bei „Timeless“ habe Katschner gemerkt, dass man Saxofon und Zink kaum auseinanderhalten könne. Und die Mischung aus Gesang, Klarinette und Zink passe ideal in die Klangwelt der Lautten Compagney.

Klassische Programme gibt es daneben natürlich weiter. „Nur Crossover möchte ich nicht spielen, das wäre mir zu langweilig“, sagt er. Wobei Langeweile wirklich das Letzte ist, was man mit Wolfgang Katschner in Verbindung bringen könnte. Schon allein deswegen, weil er die Hälfte seiner Zeit in seine „Arbeit als Kulturfunktionär“ stecken müsse. Auch da geht er gerne mit der Zeit, etwa indem er per Crowdfunding versucht, Projekte zu realisieren.

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