Quincy Jones in seinem Studio 1980
Es war, als würde alles zu Gold werden, was immer er anpackte. 1963 zum Beispiel entdeckte er Lesley Gore, eine 16-jährige Schülerin, die mit ihrer Band durch New Yorker Hotels tingelte. Quincy Jones produzierte mit ihr nicht nur den großen Hit „It’s My Party“, sondern innerhalb von vier Jahren nicht weniger als 19 Songs, die in die Top 100 der US-amerikanischen Popcharts aufstiegen. „Lesley“, sagte Quincy Jones, „hatte eine sanfte Stimme mit Wiedererkennungswert. Und sie traf die Töne, was viele erwachsene Rock-’n’-Roll-Sänger nicht hinbekamen.“
Oder dann 1978: Da fragte ihn der gerade zwanzigjährige Michael Jackson, der ehemalige Kinderstar der Jackson Five, ob er nicht sein nächstes Soloalbum produzieren könne. Quincy Jones erinnerte sich später: „Alle sagten damals, Michael Jackson könne nicht noch erfolgreicher werden, aber ich dachte: oh doch!“ Jacksons „Off The Wall“ (1979), „Thriller“ (1982) und „Bad“ (1987) wurden drei der meistverkauften Alben der Musikgeschichte. Sie lieferten (zusammengerechnet) nicht weniger als neun Nummer-eins-Hits in den USA. Dank Quincy Jones wurde Michael Jackson damals zum „King of Pop“.
Schon 1964 stieg Quincy Jones auch in die Film- und Fernsehbranche ein. Obwohl man es ihm als Afroamerikaner in Hollywood nicht leicht gemacht hat, wurde er für mehr als dreißig Kinostreifen als Komponist verpflichtet. Darunter waren Filme berühmter Regisseure wie Sidney Lumet, Norman Jewison und Steven Spielberg. Fürs amerikanische Fernsehen schrieb er zudem die Musik zu zahlreichen Serien wie „Ironside“, „The Bill Cosby Show“, „Sanford and Son“, „Roots“ oder „The Fresh Prince of Bel-Air“. Quincy Jones wurde in der Film- und Fernsehbranche dann auch als Produzent tätig – er gilt als der „Entdecker“ von Will Smith und Oprah Winfrey.
Eines seiner Meisterstücke war das Projekt „We Are The World“ im Jahr 1985. Motiviert war es von der Absicht, eine große Menge Geld zu sammeln – gegen die Hungersnot in Äthiopien. Quincy Jones beauftragte Michael Jackson und Lionel Richie, einen Song zu schreiben, der das Potenzial zum Welthit haben sollte. Für die Aufnahme wurde ein Chor aus 46 Popstars organisiert. Neben Jackson und Richie waren auch Stevie Wonder, Tina Turner, Diana Ross, Bruce Springsteen, Bob Dylan, Ray Charles, Willie Nelson, Cyndi Lauper und Paul Simon unter den Solisten. Diese Stars nahmen ihre Gesangsspuren nicht etwa getrennt voneinander auf, sondern kamen alle zur gleichen Zeit im Studio zusammen. Quincy Jones war der Arrangeur, Produzent, Dirigent. Er schrieb auch die B-Seite und produzierte das Musikvideo. „We Are The World“ erbrachte ein Fundraising von etwa achtzig Millionen Dollar und löste eine Lawine weiterer Hilfsaktionen aus.
Immer ein Jazzmusiker
Trotz dieser Riesenerfolge in der finanzstarken Welt von Pop und Film: Im Kern und im Herzen blieb Quincy Jones immer ein Jazzmusiker. „Es ist mein Wunsch, Musik aller Art zu komponieren“, sagte er. „Aber meine Jazzwurzeln habe ich nie verraten. Sogar bei den Alben von Michael Jackson jubelte ich dem Publikum immer etwas Jazz unter.“ In der Tat: Im Song „Bad“ installierte Jacksons Produzent den König der Jazzorgel, Jimmy Smith. Im Song „Girlfriend“ brachte er ein Saxofonsolo von Larry Williams unter. Und „Baby Mine“, sagte Jones, sei im Kern eigentlich „Coltrane pur“. Jones arrangierte auch mit bei den Bläsersections und achtete auf einen treibenden, groovenden Rhythmus – dabei vertraute er dem Percussionisten Paulinho da Costa, der bekannt geworden war bei Sergio Mendes und Dizzy Gillespie. Die Prise Jazz gehörte bei Quincy Jones immer dazu. Für Michael Jackson war er einfach „ein musikalischer Visionär“: „Er sieht sofort, was fehlt.“
Den Jazz hatte Quincy Jones schon als Jugendlicher für sich entdeckt, in den 1940er Jahren. In der Brassband seiner Schule im Nordwesten (nahe Seattle) lernte er, praktisch alle Blechblasinstrumente zu spielen, darunter auch Horn, Tuba, Posaune – aber die Trompete wurde seine „große Liebe“. Der junge Quincy Jones trat in Clubs auf, auf Tanzveranstaltungen und Familienfeiern, versuchte sich zudem als Pianist, Saxofonist und Sänger. Vor allem die damals populären Bigbands hatten es ihm angetan: „Count Basie, Woody Herman, Duke Ellington – ich ging zu allen Gigs. Und ich sagte mir: Hier möchte ich mein Leben verbringen. Ich möchte Arrangeur und Komponist sein.“ Erste Grundlagen des Arrangierens lernte er vom Sänger und Pianisten Ray Charles, der 1947 nach Seattle gezogen war und sein Freund wurde. Auch der Bandleader Count Basie und der Trompeter Clark Terry förderten ihn schon früh. Das Studium am Schillinger House in Boston (der späteren Berklee School) war ihm dagegen zu trocken – stattdessen stürzte er sich ins Jazzleben von New York.