An die dreißigmal, so schätzt er, hat Frank Dupree das Klavierkonzert von George Gershwin aufgeführt. Auch im Juli dieses Jahres zusammen mit der Cappella Aquileia von Marcus Bosch bei den Opernfestspielen in Heidenheim. Wir treffen uns zum Mittagessen zwischen Generalprobe und Abendkonzert. Frank Dupree hat so viel zu erzählen, dass sein Teller fast unberührt wieder zurückgeht. Er muss noch schnell die Zugabe nach dem Gershwin-Konzert zusammen mit drei Musikern der Cappella vorbereiten – den Jazzstandard „Caravan“ von Duke Ellington. Und zwischen der Generalprobe heute Vormittag und der Hauptprobe am Tag zuvor konnte er doch nicht die Hochzeitsfeier eines seiner besten Freunde sausen lassen, also machte er eine abendliche Spritztour, auch wenn es dafür, verkehrstechnisch gesehen, komfortablere Orte gibt als Heidenheim an der Brenz.
Mit welch beneidenswertem Nervenkostüm Frank Dupree gesegnet ist, war mir schon 2019 bei den damals noch existierenden Badenweiler Musiktagen aufgefallen. Nach einem fulminant-virtuosen amerikanischen Klavierabend mit der „Sonata for Radio“ von George Antheil, John Adams’ halbstündigen „Phrygian Gates“, Gershwins „Preludes“ und seiner eigenen Klavierfassung des „American in Paris“ überraschte Dupree die mitternächtliche Feierrunde mit der Nachricht, er müsse jetzt nach Hause zurückfahren – morgen habe er nämlich Konzertexamen, als dirigierender Pianist mit Beethovens fünftem Klavierkonzert. (Wie er das macht, ist in einem Konzert mit den Stuttgarter Philharmonikern auf Youtube zu überprüfen.) Der Mann, der am kommenden Nikolaustag 33 Jahre alt wird, ist nicht zu bremsen: an Temperament, Energie, Neugier, Vielseitigkeit und Selbstvertrauen. Dazu ist er ein gewiefter Kommunikator, der sein Publikum moderierend und musizierend unmittelbar packt.
Seinen Platz hat er „in der Mitte“, wie er definiert, dort, „wo Klassik und Jazz zusammenkommen“. Der Ausschlag kann dabei ganz in den Jazz gehen, mit entsprechender Improvisation, oder ganz in die Klassik, zu Beethoven und noch weiter zurück zu Bach. Mit modischem Crossover hat diese Verbindung nichts zu tun, vielmehr folgte sie wie selbstverständlich aus der instrumentalen Doppelbegabung Duprees als Schlagzeuger und Pianist. Deshalb wechselt er auch gerne mal – wie in der Zugabe in Heidenheim – vom Klavier zum Bongo. Und er hat mit seinem Jazztrio (Obi Jenne, Schlagzeug, Jakob Krupp, Kontrabass) ein Ensemble etabliert, auf das mittlerweile immer mehr Veranstalter aufmerksam werden – sein „Schedule“ ist voll.
Mit den Jazzern teilt er sich auch hin und wieder die Aufführung des Gershwin-Konzerts. Um auch dieses Werk in Personalunion als Pianist und Dirigent stemmen zu können, hat er es für Jazztrio und Orchester bearbeitet. In dieser Fassung, so seine Erfahrung, wirkt der Groove noch ansteckender aufs Orchester. Gershwins häufige Takt- und Tempowechsel gleichzeitig an den Tasten und dirigierend perfekt hinzukriegen, findet sogar Frank Dupree „wahnsinnig anstrengend“. Dagegen sei Beethoven viel bequemer.
Der ist seit frühester Jugend ein Fixstern an Duprees Komponistenhimmel. Mit den beiden Klaviersonaten op. 2 Nr. 1 und op. 111, zusammen mit Werken von Alban Berg, Luciano Berio und Peter Eötvös, seinem Dirigierlehrer an der Karlsruher Musikhochschule, hat 2015 seine diskografische Karriere begonnen. Und gäbe es für Dupree so etwas wie den Inbegriff klassisch-sinfonischer Musik, ein unverrückbares Ideal musikalischer Passion, dann wäre es sicher Beethovens Siebte (die er gern dirigiert).